Es gibt Momente, in denen man sich fragt, ob man wirklich noch in einem Industrieland lebt oder bereits in einem gigantischen Experimentierraum für politökonomische Selbstzerstörung, in dem die Laborleiter vergessen haben, dass echte Menschen in diesem Versuch mitspielen. Einer dieser Momente kam mit der Meldung: Zwei von drei Industriefirmen denken laut BDI darüber nach, ihre Produktion zu verlagern. Und nicht irgendwohin — nein, überall dorthin, wo man nicht von „Standort Deutschland“ sprechen muss, ohne sich danach entschuldigen zu wollen.
Die Zahlen wirken wie ein Schlag ins Gesicht: Während die Bundesregierung über Leitkultur, Gendersternchen und Heizungsparagraphen debattiert, verabschieden sich Unternehmen leise, aber stetig. Und fast jedes fünfte Unternehmen produziert schon jetzt nicht mehr in Deutschland. Es ist ein bisschen so, als würde man zu einer Party kommen, die eigentlich niemand mehr besucht — aber der Gastgeber wirft immer noch stolz die Nebelmaschine an.
Natürlich könnte niemand diese Entwicklung ahnen. Nein, ganz bestimmt nicht. Nicht bei Energiekosten wie aus einer anderen Galaxie. Nicht bei Bürokratie, die selbst Zen-Mönche aggressiv machen würde. Nicht bei einer Regierung, die glaubt, Wachstum entstehe durch das Erfinden neuer Verbote. Nein, das ist wirklich eine Überraschung.
Und mittendrin der größte Treppenwitz: Man feiert ernsthaft, dass neun Prozent der Firmen ihre zuvor nach China ausgelagerte Produktion wieder nach Europa zurückholen. Das ist ungefähr so, als würde man sagen: „Zwei Drittel meiner Haare fallen aus, aber keine Sorge — in der Dusche finde ich drei zurück!“
Dieses Essay ist nicht nur ein Blick auf ein ökonomisches Drama. Es ist eine politische Anklage, ein satirisches Spiegelbild und ein bitterer Kommentar zur Unfähigkeit eines Landes, das seine eigenen Stärken mit beispiellosem Eifer demontiert. Willkommen im Deutschland des 21. Jahrhunderts — wo die Produktion geht und die Probleme bleiben.
Der beschleunigten Rückzug der deutschen Industrie von Alfred-Walter von Staufen
Das stille Wegpacken der Produktionshallen
Deutschland war einmal stolz auf seine industrielle Basis. Maschinenbau, Chemie, Elektrotechnik, Automobil – alles klang wie ein Donnerhall auf dem Weltmarkt. Heute klingt es eher wie ein müdes Pfeifen aus einer leeren Werkhalle. Was bleibt, ist gelegentlich das Echo einer Produktion, die früher einmal stattgefunden hat.
Laut der BDI/Deloitte-Studie planen 68 Prozent der Industriefirmen, in den nächsten zwei bis drei Jahren ihre Produktion ganz oder teilweise zu verlagern. Das ist keine Zahl, das ist ein Exitus auf Raten. Zwei von drei – eine Quote, die selbst Lotto-Verlierer neidisch macht, weil dort wenigstens das Prinzip Hoffnung existiert.
Wenn man diesen Trend nüchtern betrachtet, könnte man sich fragen: An welchem Punkt haben wir aufgehört, ein Land der Wertschöpfung zu sein, und sind stattdessen zum Land der wegschöpfenden Kräfte geworden?
Protektionismus Made in USA – Trumps unsichtbare Hand
Interessanterweise zieht es 26 Prozent der Unternehmen in die USA. Nicht weil dort die Sonne schöner scheint oder die Burger besser schmecken – sondern wegen politischer Logik. Trump hat Zölle eingeführt, die eigentlich wie Mauern wirken sollen. Aber anders als in Berlin hat er begriffen, dass Mauern zwei Seiten haben: Die eine hält Konkurrenz fern – die andere zieht neue Investoren an.
Ironischerweise exportiert Deutschland immer noch den Glauben, Zölle seien böse, während Firmen längst verstanden haben, dass Zölle für sie manchmal das bessere Förderprogramm sind. Vor allem dann, wenn der eigene Staat lieber ideologisch diskutiert als ökonomisch handelt.
Europa – die Flucht nach innen
Noch höher als die USA steht Europa selbst als Zielregion. 30 Prozent wollen nach Polen, Tschechien, Ungarn oder in Länder, wo man innovativ genug ist, Prozesse zu digitalisieren, aber nicht so visionär, dass man sie mit tausend Paragrafen erschlägt.
Der Standort Deutschland wirkt heute wie eine alte Villa: äußerlich beeindruckend, innerlich voller feuchter Wände, durchgebrochener Stromleitungen und eines Eigentümers, der findet, man solle das Dach erst dann reparieren, wenn man es komplett verbieten kann.
Asien – die Rückkehr zum Offensichtlichen
16 Prozent ziehen nach China, 14 Prozent nach Indien und 19 Prozent nach anderen asiatischen Ländern.
Und das ist wenig verwunderlich. Da, wo Energie günstig ist, Arbeitskräfte verfügbar sind und Bürokratie eher nach einer Empfehlung aussieht als nach einem göttlichen Gesetzestablett, dort lassen sich Unternehmen nieder.
Deutschland hingegen hat Bürokratie zur Religion erhoben. Man predigt sie nicht einfach – man lebt sie. Jede Stufe, jede Veränderung, jede Innovation muss zuerst die heilige Taufe der Formulare empfangen.
Fast jedes fünfte Unternehmen hat längst aufgegeben
19 Prozent der Firmen produzieren schon jetzt nicht mehr in Deutschland. Dieser Satz wird oft wie eine Fußnote dargestellt. Dabei ist er das Hauptkapitel.
Wenn bei einer Studie herauskäme, dass 19 Prozent der Organe eines Menschen nicht mehr funktionieren – man würde sofort einen Notarzt rufen. Deutschland hingegen diskutiert, ob der Patient vielleicht mehr Verbote bräuchte.
Lobbyismus – der Exportweltmeister des Wahnsinns
Während Firmen gehen, bleiben andere – nämlich Berater, Experten, Institute, Think-Tanks, die alle mit erstaunlicher Regelmäßigkeit zu denselben Ergebnissen kommen: „Der Staat muss handeln.“ Und handeln bedeutet: neue Förderprogramme, neue Arbeitskreise, neue Strategiepapiere, neue Sitzungen, neue Stühle für die Sitzungen, neue Berater, die erklären, warum der Stuhl falsch steht.
Vielleicht wäre es an der Zeit, statt zwei von drei Industriefirmen lieber zwei von drei Politikern und ihren Beraterclustern zu verlagern. Nicht nach Europa, nicht in die USA, sondern dorthin, wo sie ideologisch hingehören: in das große politische Archiv der historischen Fehleinschätzungen.
Der mathematische Treppenwitz: Die Rückkehr der 9 Prozent
Der Artikel feiert ernsthaft, dass neun Prozent der Firmen ihre zuvor ausgelagerte Produktion wieder nach Europa bringen.
Neun Prozent!
Das ist keine Nachricht. Das ist ein Alibi.
Es ist, als würde man sagen: „Zwei Drittel meiner Wohnung stehen unter Wasser, aber gute Nachrichten: In der Küche ist ein Handtuch trocken geblieben!“
Und manche Unternehmen holen Produktion aus den USA zurück – ganze sieben Prozent. Das ist ungefähr so, als würde man in einem brennenden Haus die Fahne retten und stolz verkünden, man habe den Patriotismus bewahrt.
Das große deutsche Paradoxon
Deutschland ist das einzige Land, das glaubt, man könne Wohlstand durch Entzug erzeugen. Firmen sollen weniger CO₂ ausstoßen, weniger Energie verbrauchen, weniger produzieren, weniger exportieren – aber bitteschön mehr Steuern zahlen, mehr Löhne finanzieren und mehr Bürokratie akzeptieren.
Das ist die politische Version eines Fitnessprogramms, bei dem man den Teilnehmern erst die Beine bricht und dann streng kontrolliert, warum sie so langsam laufen.
Der Preis des Wegsehens
Diese Entwicklung hat Folgen:
- weniger Steuereinnahmen
- weniger Innovation
- weniger Arbeitsplätze
- weniger Exportmacht
- weniger Stabilität
Und dennoch scheint man in Berlin davon auszugehen, dass die grundlegende Architektur dieses Landes unzerstörbar sei. Man irrt. Systeme halten nur so lange, wie ihre ökonomischen Fundamente stabil bleiben. Sobald Wertschöpfung abwandert, bleibt nur noch Wertschätzung – und die bezahlt keine Löhne.
In eigener Sache: „Die Wut des kleinen Mannes“
Es gibt einen Punkt, an dem wirtschaftliche Analyse in etwas anderes umschlägt: in das stille Gefühl von Ohnmacht. In das Bewusstsein, dass man als Bürger nur noch Zuschauer ist, während politische Entscheidungen über den eigenen Kopf hinweg getroffen werden. Genau an dieser Schnittstelle beginnt der Kern meines Buches „Die Wut des kleinen Mannes“ – ein Werk, das nicht einfach politischen Frust beschreibt, sondern ihn seziert wie ein Chirurg, der genau weiß, wo der Schmerz wirklich sitzt.
Denn die Entwicklungen, die wir hier betrachten, sind nicht isoliert. Sie sind Teil eines größeren Musters, eines politischen Zeitgeistes, der das Gefühl vermittelt, als seien die Menschen in diesem Land eher Störfaktoren als Bürger. Wenn zwei von drei Industriefirmen überlegen zu gehen, und jede fünfte bereits gegangen ist, dann ist das nicht nur eine ökonomische Bewegung. Es ist ein gesellschaftliches Statement: „Wir fühlen uns hier nicht mehr willkommen.“
In meinem Buch beschreibe ich, wie viele Menschen im Land Ähnliches empfinden. Nicht, weil sie ideologisch verführt wurden, nicht, weil sie politisch radikal sind, sondern weil sie zunehmend feststellen, dass die politische Realität nichts mehr mit der Lebensrealität zu tun hat. Während Experten Runden drehen und Politiker Interviews geben, müssen Menschen in diesem Land sehen, wie sie klarkommen. Sie zahlen die höchsten Energiepreise, sie tragen die Last der Bürokratie, sie stemmen die Kosten politischer Experimente – und sie erhalten im Gegenzug die tröstende Botschaft, dass irgendwo neun Prozent der Firmen zurückkehren.
Es ist diese Diskrepanz, diese Absurdität zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die ich in „Die Wut des kleinen Mannes“ thematisiere. Und wenn man verstehen will, warum so viele Bürger frustriert, wütend oder schlicht resigniert sind, dann muss man tiefer blicken. Hinter die Schlagzeilen. Hinter die politischen Floskeln. Hinter die Zahlen.
Dieses Buch richtet sich an alle, die spüren, dass etwas schiefläuft, aber nicht die Worte finden. An alle, die wissen wollen, warum Entscheidungen fallen, die ihnen schaden. An alle, die sich nicht abspeisen lassen wollen mit Schönwetterreden und mathematisch fragwürdigen Erfolgsmeldungen.
„Die Wut des kleinen Mannes“ ist kein Pamphlet. Es ist ein Kompass für die Zeit, in der wir leben. Ein Werkzeug, um die Mechanismen hinter politischen Entscheidungen zu erkennen. Und vielleicht – nur vielleicht – ein Ausweg aus der Frustration, die sich wie ein grauer Nebel über unser Land gelegt hat.
Abschluss und Moral
Am Ende dieses wirtschaftlichen Dramas bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Nicht, weil die Zahlen schockieren – sie tun es, gewiss –, sondern weil sie zeigen, wie lange dieses Land gebraucht hat, um zu verstehen, was längst offensichtlich war. Man kann ein Industrieland nicht wie ein pädagogisches Experiment behandeln. Man kann nicht gleichzeitig die Zügel anziehen, die Steuer erhöhen, die Bürokratie verdichten und dann erwarten, dass Unternehmen aus Dankbarkeit jubelnd bleiben.
Deutschland hat sich in eine Haltung manövriert, die jenseits jeder ökonomischen Logik liegt: Man glaubt, Wohlstand sei selbstverständlich. Doch Wohlstand ist keine Naturkonstante. Er ist ein empfindliches Konstrukt, das Aufmerksamkeit, Pflege und Pragmatismus braucht.
Die Moral ist so einfach wie unbequeme Wahrheiten oft sind:
Wenn ein Staat seine Wertschöpfer vertreibt, darf er sich nicht wundern, wenn Wertschöpfung verschwindet.
Und wenn die Politik lieber Narrative pflegt als Strategien, dann flieht zuerst die Produktion – und später vielleicht das Vertrauen.
Dass neun Prozent der Firmen wieder zurückkommen, ist kein Triumph. Es ist ein Restgeräusch. Eine Randnotiz. Eine Erinnerung daran, dass selbst im Chaos manchmal etwas zurückfällt, was nicht schnell genug fliehen konnte.
Die Aufgabe eines Staates ist nicht, seine Wirtschaft zu belehren, sondern sie zu befähigen. Nicht, sie zu bestrafen, sondern sie zu stärken. Und solange diese Erkenntnis nicht in der politischen Wirklichkeit ankommt, wird die Industrie weiterziehen – dorthin, wo Werte noch geschaffen und nicht verwaltet werden.
Sehr geehrte Leser,
wenn Sie diesen Text bis hierhin gelesen haben, zeigen Sie etwas, das heute selten geworden ist: echtes Interesse an Zusammenhängen. Vielleicht sogar den Mut, die unbequemen Fragen zu stellen. Ich danke Ihnen dafür. Dieses Essay soll nicht nur informieren, sondern wachrütteln – nicht, um Angst zu machen, sondern um Klarheit zu schaffen. Unsere Zukunft hängt nicht an großen Reden, sondern an großen Entscheidungen. Und manchmal beginnt Veränderung damit, dass man die Wahrheit ausspricht, auch wenn sie unbequem ist. Danke, dass Sie den Weg dieser Worte mitgegangen sind. Bleiben Sie bitte kritisch, bleiben Sie wach – und vor allem: bleiben Sie unbequem.
Bitte werden oder bleiben Sie gesund, denn das ist das höchste Gut das wir pflegen sollten!!!
Herzlichst
Ihr Alfred-Walter von Staufen
Abbildungen:
- Alfred-Walter von Staufen
Quellenangaben:
- Studie von Deloitte & BDI zu Produktionsverlagerungen
- Handelsblatt-Bericht über Produktionsverlagerungen deutscher Firmen
- BDI-Statements von Wolfgang Niedermark
- Aussagen des Deloitte-Experten Jürgen Sandau zum Thema Reshoring
- Statistische Daten zu Produktionsstandorten deutscher Industrieunternehmen
- Hintergrundinformationen zu Trumps Zollpolitik
- Europäische Standortanalysen (Osteuropa, Südeuropa)







